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Warum sich die Südkurve mit Rojava solidarisiert – Ruhe in Frieden Kefo!

Rojava liegt im Nordosten Syriens, bedeutet übersetzt so viel wie Westkurdistan und wurde während des syrischen Bürgerkriegs 2012 von kurdischen Kräften rund um die YPG (Volksverteidigungseinheiten) und YPJ (Frauenverteidigungseinheiten) von der Tyrannei des Islamischen Staates befreit. Im Gegensatz zum Rest des lange vom Bürgerkrieg zerrütteten Landes konnte im Norden und Osten Syriens ein friedliches und für alle Bewohnerinnen sicheres Autonomiegebiet aufgebaut werden. Besonders hervorzuheben ist, dass es den kurdischen Milizen nicht darum geht, einen eigenen Nationalstaat entstehen zu lassen, sondern viel mehr eine funktionierende Selbstverwaltung ohne Staat zu organisieren. Basisdemokratie, Religionsfreiheit, die Befreiung der Frau und Ökologie gelten als die Grundpfeiler Rojavas. Mit diesen Grundprinzipien gelingt es seit nunmehr fast 13 Jahren, ein friedliches und selbstverwaltetes Leben zwischen Kurden, Arabern, Armeniern, Assyrern (ethnische Minderheit, die überwiegend dem syrischen Christentum angehört) und weiteren ethnischen Gruppen zu ermöglichen. Bemerkenswert ist der strikte Kampf gegen Sexismus und für die Gleichberechtigung der Geschlechter, welcher in dieser Region von immenser Wichtigkeit ist. Zwangsheirat, Kopftuchpflicht und Sharia-Gesetze gehören in Rojava der Vergangenheit an. Stattdessen setzt man auf Emanzipation und eine hoffnungsvolle Lebensperspektive für alle Frauen, die bis weit über die Grenzen hinaus strahlt und vielen Menschen Hoffnung im Kampf für ein besseres, freies, selbstorganisiertes und emanzipiertes Leben gibt. Der in den letzten Jahren um die Welt gehende Spruch ‚Jin, Jiyan, Azadî‘ (Frauen, Leben Freiheit), entstammt der kurdischen Befreiungsbewegung und ist auch in Rojava ein Grundsatz.

Was bis hier hin nach einer tollen vor allem funktionierenden Alternative im Nahen Osten klingt, ist nach wie vor akut bedroht und kostet viele Menschen das Leben. Während viele Syrerinnen und Syrer nach dem Sturz des diktatorischen Assad-Regimes neue Hoffnung für ihr Land schöpfen, erstarken islamistische Kräfte und die Türkei samt ihrer verbündeten Söldnergruppen der SNA (Syrische Nationalarmee) intensivieren erneut ihre Angriffe auf Rojava. Dabei trifft es weiterhin vor allem die Zivilbevölkerung. Das Ziel der Türkei ist nichts anderes als die Zerschlagung der kurdischen Autonomie und einer demokratischen Perspektive. Eine politische Kraft mit dem Ziel einer befreiten Gesellschaft stellt wohl die größte Bedrohung für den Machterhalt des türkischen Staates dar. Seit 2016 greift die Türkei immer wieder Teile des Autonomiegebietes an und versucht diese völkerrechtswidrig zu besetzen – teilweise mit Erfolg. Dabei arbeitet die Türkei auch immer wieder mit islamistischen Kräften wie der SNA zusammen , die sich unter anderem aus ehemaligen IS-Kämpfern zusammensetzt, die die IS-Ideologie weiter in sich tragen. Durch das Türkei-SNA Bündnis wurde bereits die arabische Stadt Minbij besetzt und die Kämpfe richten sich nun um die Gebiete des Euphrats und die Stadt Kobane.

Aktuell ist die Situation prekärer und angespannter denn je. Allein in den letzten zwei Tagen wurden drei Massaker an Zivilist/innen verübt bei denen mindestens 20 Menschen starben. Neben dem anhaltenden Beschuss mit Mörsern, Artilleriegeschützen und Drohnen, der sich vor allem gegen die Zivilbevölkerung und deren Infrastruktur (etwa Wasser, Strom, Weizen) richtet, steht die Region kurz vor einer Katastrophe, ausgelöst durch eben jenen Beschuss. So finden seit dem 8. Dezember 2024 Kämpfe und Bombardierungen um und auf dem strategisch wichtigen Tishrin-Staudamm statt. Vor dem Beschuss diente er der Energie- und Trinkwassergewinnung für ca. 500.000 Menschen. Seit mehreren Wochen ist die Staumauer aufgrund des massiven Beschusses betriebsunfähig und droht nun zu brechen. Ein Dammbruch hätte eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes zur Folge. Zahlreiche Städte und Dörfer bis in den Irak würden in den Fluten des Euphrats versinken. Um dies zu verhindern, organisierte sich ein Teil der Zivilbevölkerung Rojavas zu einem großen Friedenskonvoi, der sich auf den Weg zum Tishrin-Damm machte, um diesen als zivilen Schutzschild zu besetzen und so vor weiterem Beschuss und einem damit verbundenem Bruch zu schützen. Seit Beginn des Friedenskonvois und der Mahnwache auf dem Staudamm wird dieser nun auch von der SNA und der türkischen Armee beschossen und bombardiert. Was für uns nahezu unfassbar und unmenschlich klingt, kostete in den letzten Wochen mehr als 30 unbewaffnete Menschen, welche nichts weiter als ihre Heimat vor einer Flutkatastrophe beschützen wollten, das Leben. Unter ihnen auch Kefo Osman (auch bekannt als Abu Hogir), der am 18. Januar, neben fünf weiteren Menschen, durch einen Drohnenanschlag auf dem Tishrin-Damm getötet wurde. Die Gemeinsamkeit zwischen uns Fans und Ultras aus der Südkurve und Kefo bestand in der grenzenlosen Leidenschaft, Liebe und absoluter Hingabe zum Fußball. Kefo war extrem prägend für den Fußball in Rojava. Er baute alle Teams in Qamishlo (größere Stadt in Rojava) auf und trainierte weiterhin mehrere Mannschaften von Jugendlichen bis Erwachsenen und gab damit vielen Menschen Perspektive und Lebensfreude. Er lehrte hunderten Jungs und Mädchen das Fußball spielen. Darüber hinaus verfolgte Kefo mit großem Interesse den internationalen Fußball. Kefos letzter Wunsch war es, mit einem Fußball im Stadion von Qamishlo beerdigt zu werden, für dessen Renovierung er sich zuletzt einsetzte. Das Stadion vom 12 März steht symbolisch für den Funken der Revolution in Rojava. 2004 begannen dort Ausschreitungen zwischen kurdischen und arabischen Fans, welche auch eine stärkere Selbstorganiserung der Bevölkerung hervorbrachte. Heute ist das Stadion ein Symbol der Völkerfreundschaft. Auch Kefo war sein Leben lang mit der Revolution verbunden. Er verlor im Krieg gegen den IS in Kobanê im Jahr 2015. Zu seiner Beerdigung wurde wie folgt an ihn gedacht: „Nach 45 Jahren wird der Sport ohne Abu Hogir weiterleben, aber er wird immer in unseren Herzen leben. Unser Freund Kêfo hat viele Jahre in verschiedenen politischen, sozialen und sportlichen Bereichen gearbeitet. Wir stehen an weiterhin an seiner Seite.“  Ruhe in Frieden Kefo! 

Uns Fußballfans aus Jena machen die Ereignisse in Rojava fassungslos, wir denken an die vielen Opfer und an all die Menschen, die für ein besseres Leben kämpfen. Gleichzeitig macht uns die Ignoranz der internationalen Gemeinschaft, allen voran Deutschland, wütend. Wie kann es sein, dass derartige Kriegsverbrechen, das bewusste beschießen von Zivilistinnen und Zivilisten, einfach so ignoriert werden können? Während immer mehr und lauter darüber diskutiert wird, ob Syrien nach dem Sturz Assads nun wieder ein sicheres Herkunftsland ist, werden der Krieg und dessen Grausamkeiten gegen die Menschen im Nordosten Syriens völlig außer Acht gelassen. Es klingt wie ein schlechter Scherz, Menschen die Rückkehr in ihr „sicheres“ Herkunftsland zu empfehlen, während gleichzeitig der starke NATO-Partner Türkei weiter hofiert und mit deutschen Waffen beliefert wird. Deutsche Waffen, mit denen unter Umständen eine echte und funktionierende Demokratie in Rojava angegriffen und bekämpft wird und somit weitere Fluchtursachen geschaffen werden. Nebenbei verkündet die feministische Außenministerin Baerbock, die Verteidigungseinheiten sollen doch ihre Waffen niederlegen.

Egal ob es um das Haushaltssicherungskonzept in unserer Stadt, die Tafeln in unserer Region, der menschenverachtende Umgang der EU und Deutschland mit Geflüchteten oder die Revolution in Rojava geht, die Südkurve wird sich immer an die Seite derer Menschen stellen, die sich für eine gerechtere, friedlichere und für alle lebenswertere Gesellschaft einsetzen. Erst recht, wenn diese Menschen von scheinbar übermächtigen und skrupellosen Gegnern bedroht werden. Deshalb werden wir weiterhin mit Spruchbändern, aber auch anderen direkten Aktionen der Solidarität auf diese Missstände aufmerksam machen und die Menschen unterstützen. In diesem Sinne: Informiert euch, bleibt kritisch, solidarisch und werdet laut, wenn es um große und kleine Ungerechtigkeiten geht! 

WIR STEHEN AN DER SEITE ROJAVAS!

RUHE IN FRIEDEN KEFO!

ROJAVA WIRD SIEGEN!

ES LEBE ROJAVA! 


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